Die Grube San Fernando
Über nahezu 85 Jahre führte die Grube San Fernando ein Eigenleben auf dem Florz-Füsseberger Gangzug. Erst mit der Neugestaltung des Siegerländer Erzbergbaues nach dem Zweiten Weltkrieg und dem damit verbundenen Eigentumswechsel wurde sie als Verbundbetrieb ausgerichtet.
1855 hatte der Bergmann Wilhelm Hähner, der längere Zeit in südamerikanischen Bergwerken tätig gewesen war, hier die Abbaurechte erworben und das Grubenfeld in Erinnerung an seinen früheren Wirkungskreis „San Fernando“ genannt. Er starb jedoch kurze Zeit später. Von der Erben übernahm H.D.F. Schneider, der spätere Gründer der Friedrichshütte, im Jahre 1856 die Bergrechte, erwarb in der Folgezeit benachbarte Grubenfelder hinzu legte sie mit San Fernando zusammen.
Der Abbau erfolgte zunächst über Tage. Um 1860 wurde mit dem Bau des Tiefen Stollens auf der Talsohle begonnen, mit dem man zunächst die nordöstlich gelegenen Gangmittel San Fernando und Ziegenberg erreichte. Im späteren Verlauf trieb man auch Querschläge in östlicher Richtung vor. Zu Beginn der 1920er Jahre hatte der Stollen eine Länge von rd. 800 m erreicht.
Auf der Sohle des tiefen Stollens wurde 1881 der erste Schacht zunächst als Blindschacht abgeteuft. Die Dampfkesselanlage wurde ebenfalls unter Tage eingerichtet, wenige Jahre später aber nach draußen verlegt und die Förderanlage über eine durch den Stollen verlegte Dampfleitung angeschlossen. Die dabei auftretenden Wärmeableitungen wirkten sich aber nachteilig auf die Bewetterung und den Holzausbau aus, so dass schon bald eine Elektrifizierung der Anlagen geplant wurde.
Nachdem man auf der Friedrichshütte über eine Gichtgasverwertung Strom erzeugte, wurde die Grube San Fernando über ein 3 km langes Kabel angeschlossen und 1906/07 der gesamte Maschinenbetrieb elektrifiziert. Der bisherige Blindschacht wurde zu Tage durchgebrochen und eine neue Förderanlage auf dem Hang eingerichtet.
Im folgenden Jahr hatte man die 440 m Sohle erreicht und neue, bislang unbekannte Gangmittel erschlossen. Die frühere Jahresförderung von 20.000 to konnte verdoppelt und bis 1913 auf 70.000 to gesteigert werden. Den steigenden Fördermengen mussten auch die Tagesanlagen angepasst werden.
1922/23 wurde auf San Fernando neue Aufbereitungs- und Röstanlagen errichtet. Durch den Röstvorgang erreichte man deutliche Verbesserungen des Metallgehaltes. Lag der Eisengehalt des Roherzes bei 30-32% und der Mangangehalt bei rd. 6%, stiegen diese durch die Gewichtsreduzierung beim Rösten auf etwa 50 bzw. 10 % an. Zusätzlich wirkte sich die Gewichtsreduktion um fast ein Drittel positiv auf die Kosten des Weitertransports zu den Hütten aus.
Die günstige Entwicklung führte dann auch zur Anlage eines neuen Schachtes, der im September 1928 in Betrieb ging. Die Förderanlage des alten Schachtes I hatte mit der 600 m-Sohle die Endstufe ihrer maschinellen Leistungsfähigkeit erreicht. Für die Fortsetzung des Tiefbaues wurde auf dieser Sohle ein zusätzlicher Blindschacht eingerichtet, der bis zur 930 m-Sohle abgeteuft wurde.
Schacht II war von Tage aus bis zur Endsohle kreisrund mit einem Durchmesser von 4,20 m hergestellt worden. Er war mit einem 25 cm starken Ziegelmauerwerk versehen, das in Abständen von 5 m mit Stahlträgern ausgesteift wurde, die wiederum mit Ankern im Gebirge befestigt waren. Durch diesen soliden Ausbau hat der Schacht über die gesamte Betriebsdauer hinweg keine Verformungen aufgezeigt. Schacht II erreichte von Tage aus eine Tiefe von 1002 m.
Aufmerksamkeit erregte die Grube San Fernando in der Fachwelt durch Verschiebungen der Erzgänge. Im Laufe der Jahrmillionen haben tektonische Vorgänge zu Verwerfungen der Gesteinsformationen geführt, wobei auch Erzgänge unterbrochen und verschoben wurden. Lagen die Verwerfungen nur im Bereich von wenigen Metern, stellten sie meist kein größeres Problem dar. San Fernando hatte aber eine der bedeutendsten Verschiebungen aufzuweisen, die von führenden deutschen Geologen 1922/23 eingehend untersucht wurde und in der Fachwelt als „Malscheidstörung“ bekannt ist. Sie durchzieht das Grubenfeld in südwestlicher Richtung und verursacht eine horizontale Verschiebung des südlichen Gangteiles um 240 m.
Nach 1950 setzte dann auch eine Rationalisierung des Untertagebetriebes ein. Sie zielte auf eine Mechanisierung der Arbeitsvorgänge und damit auf eine deutliche Steigerung der Fördermengen ab. Auch die Aufbereitungs- und Röstanlagen wurden modernisiert. Die bei der Röstung entstehenden Abgase beeinflussten jahrzehntelang das Landschaftsbild; erst einige Jahre nach Stilllegung der Röstöfen stellte sich wieder Baumbewuchs auf den angrenzenden Hängen des Ziegenbergs ein.
Um möglichst effiziente Betriebsabläufe zu erzielen, bemühte man sich, große Betriebseinheiten zu schaffen. Neben dem eingerichteten Verbundbetrieb mit der Grube Wolf1) wurde von San Fernando aus ein Anschluss zur Grube Große Burg in Altenseelbach erörtert.
Hier war nach dem Zweiten Weltkrieg der Betrieb nicht wieder aufgenommen worden, die Grube verfügte aber noch über größere Erzvorräte. Auf der 600 m – Sohle wurde eine Verbindungsstrecke vorgetrieben, wobei das Basaltvorkommen auf der Malscheid umgangen wurde. Nach rund 1,5 km brach man 1960 den Vortrieb wieder ab. Veränderte Rahmenbedingungen hatten zur Planung einer neuen Schacht- und Förderanlage in Altenseelbach geführt, die nun günstiger erschien. Die sich immer mehr verstärkende Krise im Erzbergbau verhinderte aber letztlich eine Realisierung dieser Überlegungen.
Mit den angesprochenen Rationalisierungsbemühungen wurde zwar die jährliche Fördermenge gegen Ende der 1950er Jahre auf bis zu 200.000 to ausgebaut, dem steigenden Kostendruck auf dem Weltmarkt konnte aber auch der Siegerländer Bergbau nicht standhalten.
Da die Erze aus dem Ausland trotz der längeren Transportwege preiswerter waren als die früher einmal begehrten manganreichen Siegerländer Erze, schränkten die Hüttenwerke des Ruhrgebietes die Abnahme inländischer Erze kontinuierlich ein. so dass der heimische Bergbau nicht mehr kostendeckend betrieben werden konnte. Am 14. Febr. 1962 wurde offiziell die letzte Förderschicht auf San Fernando verfahren. Insgesamt 6 Millionen Tonnen Roherze waren in der über 100 Jahre alten Geschichte der Grube gefördert worden.
Literatur:
Fenchel, W., Gies, H., Gleichmann, H.-D., Reichenbach, R., u.a. (1985) Sammelwerk Deutsche Eisenerzlagerstätten, Die Sideriterzgänge im Siegerland-Wied-Distrikt, Geologisches Jahrbuch Reihe D Heft 77, Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart
Gleichmann H.-D, (1994) Der Füsseberg, Verlag Höpner und Göttert, Siegen
1) siehe Artikel über die Grube Wolf